Marel vereint Spitzentechnologie und Fleischerhandwerk

Geflügelverarbeitung der Zukunft: traditionelles Fleischerhandwerk trifft Hightech-Innovation

Q Wing IRIS

Im niederländischen Boxmeer stellt Marel hochmoderne Geflügelverarbeitungslinien her, die auf KI-Software, Robotik und fortschrittlichen Kamerasystemen beruhen. Es ist jedoch ein Irrtum zu glauben, dass Fertigkeiten des traditionellen Fleischerhandwerks bei der Entwicklung dieser Hightech-Anlagen keine Rolle mehr spielen.

mit freundlicher Genehmigung von Janneke Vermeulen (Text) und Vleesmagazine

Auf den ersten Blick scheint die Geschäftstätigkeit von Marel in Boxmeer vom traditionellen Fleischerhandwerk weit entfernt zu sein. Das Fertigungswerk umfasst Büroräume, riesige 3D-Drucker, eine große Forschungs- und Entwicklungsabteilung sowie ein Demo-Center mit beeindruckenden Maschinen und Produktionslinien. Dennoch gibt es große Ähnlichkeiten mit herkömmlichen Metzgereien, erklärt Allard Martinet, Direktor für Produktentwicklung bei Marel.

Revobreader Homestyle Wings Fried
„Die Herstellung von Hähnchenprodukten 'nach Hausmacher Art' mit unregelmäßiger, grober Panade war eine echte Herausforderung. Doch mit dem RevoBreader haben wir diese Hürde gemeistert.“

Nachbildung von Metzgereiverfahren

„Was Metzger in ihrem Arbeitsbereich tun, bilden wir hier in einem automatisierten Prozess nach. Wie rupft man ein Huhn? Wie schneidet man am besten einen Hähnchenflügel? Etwa die Hälfte der Mitarbeiter in unserer F&E-Abteilung beschäftigt sich mit solchen Fragen. Vorgänge wie den Flügel biegen, einen Schnitt ansetzen, die Haut entfernen, den Flügel noch weiter biegen, noch tiefer einschneiden und den Flügel schließlich abtrennen – all das setzen wir in Technologie um, d. h. in Maschinen, Roboter und Software. Das erfordert spezielle Kenntnisse über die Anatomie und die Verarbeitung von Hühnern. Nicht umsonst hat jeder in unserer F&E-Abteilung eine Ausbildung an der weiterführenden SVO-Berufsfachschule für das Fleischerhandwerk absolviert.“

Die Nachbildung traditioneller Metzgereiverfahren reicht dabei weit. Allard Martinet erläutert: „Vor einigen Jahren stieg die Nachfrage nach hausgemachten Hähnchenprodukten mit unregelmäßiger, grober Panade. Das in einen automatisierten Prozess zu übertragen war eine echte Herausforderung. Eine Maschine kann problemlos eine gleichmäßige Panade herstellen, aber es ist viel schwieriger, eine Note echter Handfertigung zu erzeugen. Doch mit dem RevoBreader haben wir diese Hürde gemeistert.“

15.000 Tiere pro Stunde

Hähnchenkeulen, Nuggets, Streifen in verschiedenen Formen und Größen, mit glatter oder unregelmäßiger Panade, ganze Hähnchen, halbe Hähnchen, Spieße, Hähnchenfilets mit 100 oder 150 Gramm – Maschinen von Marel können alle erdenklichen Hähnchenprodukte herstellen.
„Manchmal liefern wir eine Einzelmaschine aus, aber häufiger sind es Dutzende bis Hunderte von Maschinen oder sogar ein ganzes Produktionswerk. Etwa 250 Maschinen sind daran beteiligt, ein lebendes Huhn in ein verkaufsfertiges Produkt zu verwandeln“, erklärt Allard Martinet. „In den letzten Jahren haben wir erhebliche Fortschritte bei der Effizienz erzielt. Als ich 2005 hier anfing, konnten unsere Maschinen 10.000 Hähnchen pro Stunde verarbeiten. Jetzt sind es 15.000 – mehr als vier pro Sekunde.“

Solche verblüffenden Zahlen sind nur mit innovativen Verfahrensweisen zu erreichen. „Früher konnten die Schichtleiter den Vorgang noch visuell überwachen, aber jetzt ist er einfach zu schnell. Heutzutage wird die Leistung mithilfe von Daten-Dashboards nachverfolgt. KI-Software, intelligente Kamerasysteme und Sensoren überwachen die Qualität. Diese Verlagerung in Richtung Automatisierung, Robotik und Digitalisierung hat sich in den letzten Jahren erheblich beschleunigt, vor allem bei der Geflügelverarbeitung –und im Gegensatz zur Verarbeitung von rotem Fleisch, wo viele Schritte wie etwa das Entbeinen immer noch manuell durchgeführt werden.“

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Die Verarbeitung von 15.000 Hühnern pro Stunde verlangt innovative Techniken wie den RoboBatcher

Nass und kalt

Die moderne Technologie von Marel ist auch eine Antwort auf den zunehmenden Arbeitskräftemangel in der Lebensmittelindustrie. „Der Sektor sieht sich seit langem mit Problemen bei der Personalausstattung konfrontiert. In Europa sind Arbeitsmigranten, die aus immer weiter entfernten Regionen, einschließlich Asien, angeworben werden, keine Ausnahme mehr. Dieser Trend unterstreicht die anhaltende Nachfrage nach Produktionsmitarbeitern.“ Automatisierung und Robotik bieten hier zwar Lösungen, führen aber auch zu einer neuen Herausforderung. „Man braucht immer noch qualifizierte Techniker, die wissen, wie man einen solchen Roboter bedient und wartet. Auch an solchen technischen Fachkräften besteht ein erheblicher Mangel, vor allem bei der Arbeit in nassen und kalten Umgebungen. Techniker haben oft alternative Beschäftigungsmöglichkeiten in angenehmeren Umgebungen, wie z. B. in Kommissionierabteilungen im E-Commerce, wo die Temperaturen höher und die Arbeitszeiten regelmäßiger sind. Für den erfolgreichen Übergang zu automatisierten und robotergestützten Prozessen empfiehlt es sich, die Änderungen phasenweise umzusetzen. Bei diesem Ansatz können sich Unternehmen an die Einstellung und Ausbildung von technischem Personal anpassen.“

Schlachtkörperbilanz

Auch bei den Geflügelverarbeitern hat sich die Produktvielfalt in den letzten Jahren spürbar weiterentwickelt. Dazu Allard Martinet: „Die Zahl der Endprodukte ist enorm gestiegen. Früher kaufte man ein halbes Hähnchen, eine Keule oder ein Filet. Heutzutage werden aus einem Huhn bis zu dreißig verschiedene Teile, einschließlich der Organe, gewonnen. Die Schlachtkörperbilanz ist sehr wichtig geworden; unsere Kunden wollen so viel wie möglich von dem Huhn verwerten. Diese Anforderung effizient und wirksam zu erfüllen ist keine leichte Aufgabe.“

Vor einigen Jahren gingen wir davon aus, dass sich die Zahl der Endprodukte stabilisieren würde – aber das war weit gefehlt

Allard Martinet
Direktor für Produktentwicklung bei Marel

Naturprodukt

Auch Einzelhändler und Verbraucher sind anspruchsvoller geworden, stellt Allard Martinet fest. „Einzelhändler wollen Pakete mit drei Hähnchenfilets von insgesamt 400 Gramm. Hühnerfleisch ist jedoch ein Naturprodukt und entspricht daher nicht ohne Weiteres dieser Anforderung. Dank einer neuen intelligenten Software können Roboter jetzt Filets von unterschiedlichen Hähnchen kombinieren, die insgesamt 400 Gramm ergeben.“

Mannigfaltige Endprodukte

Die Möglichkeiten für Geflügelfleisch gehen inzwischen weit über Filets oder Keulen hinaus. Allard Martinet unterstreicht: „Die Zahl der Endprodukte aus Hähnchenfleisch, die Packungsoptionen und Portionsgrößen sind heute immens, was zum Teil auf Trends wie Convenience Food und kleiner werdende Haushalte zurückzuführen ist. Vor einigen Jahren gingen wir davon aus, dass sich die Zahl der Endprodukte stabilisieren würde – aber das war weit gefehlt. Infolgedessen werden auch die Automatisierungsprozesse komplexer. Es sind etwa drei oder vier zusätzliche Maschinen nötig, um aus einem Huhn nach der Bratfertigung Chicken Nuggets zu machen.“

Marel Revoportioner 1000 Low Pressure Forming Chicken Nuggets

Luftdurchlässiger Stahl

Im Marel Demo Center in Boxmeer stellt Allard Martinet mehrere Maschinen vor, mit denen sich eine große Vielfalt an Endprodukten herstellen lässt. Zu einem RevoPortioner erklärt er: „Wir nutzen ein neues Formungsverfahren: Mit luftdurchlässigem Stahl wird das gewolfte Hähnchenfleisch auf einer rotierenden Trommel in Formen gezogen und dann ausgeblasen. Dadurch können wir eine klebrige Masse in die gewünschte Form bringen – das war früher ziemlich knifflig!“ Martinet zeigt große Trommeln mit verschiedenen Formen – von Chicken Nuggets bis zu Dinosauriern und Firmenlogos. „So kann jeder Hersteller seine eigene Form und Größe wählen. Diese Auswahl wirkt sich auf den gesamten weiteren Prozess aus. Eine dickere Form erfordert zum Beispiel längere Ofenzeiten oder andere Garmethoden.“

Keine Fehler erlaubt

In einem so sorgsam ausbalancierten Prozess sind Fehler inakzeptabel, sagt Martinet. „Fehler beeinträchtigen das Endprodukt. Das schwächste Glied definiert das Produkt. Hier testen wir mit den Herstellern, wie ihre Präferenzen den Prozess beeinflussen, und ermitteln, welche Anpassungen wir vornehmen können. Es ist ein komplexer Vorgang geworden. Früher konnte man den Prozess auf einem Blatt Papier skizzieren. Aber diese Zeiten sind vorbei.“


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